Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kommentars ist noch wenig vom genauen Hergang der mutmaßlichen Tötung eines beatmeten Patienten im Wiener AKH bekannt. Bald – vielleicht schon jetzt – werden wir mehr wissen. Was ich stark vermute: Die Diskussion über „Sterbehilfe“ und „Tötung auf Verlangen“ wird auch in Österreich wieder aufflammen. So wie dies in den letzten Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen immer wieder passierte.
Was bei diesen Diskussionen immer wieder zu wenig thematisiert und beachtet wird: Ein Hauptgrund für Forderungen oder Wünsche nach „Sterbehilfe“ ist Übertherapie am Lebensende! Und wenn diejenigen Ärzte und Ärztinnen befragt werden, welche am allermeisten mit Menschen am Lebensende zu tun haben (z.B. in der Palliativmedizin oder Geriatrie), zeigt sich hier praktisch nie eine Notwendigkeit nach „Tötung auf Verlangen“. Aber immer wieder wird das Problem der Übertherapie am Lebensende genannt, welches wirklich oft problematische Folgen für PatientInnen und ihre Angehörigen hat. Folgen, welche mit starkem Leid und großer Belastung einhergehen. Und eben genau dadurch zur Forderung nach lebensverkürzenden Maßnahmen führen.
Palliative Care
Ein Paradoxon also. Viele fordern aktive Lebensverkürzung bis hin zur Tötung von Menschen – weil viel zu oft viel zu viel an Lebensverlängerung gemacht wird! Die Etablierung von Palliative Care in unserem Gesundheitsund Sozialsystem ist im Gange. Langsam, aber stetig. Ein wesentliches Ziel vorausschauender Gesundheits- und auch ärztlicher Standespolitik muss es sein, Übertherapie zu reduzieren. Dass dies aus verschiedenen Gründen nicht einfach ist, zeigen Zahlen aus Deutschland und der Schweiz, die auch deutliche wirtschaftliche Anreize einer Übertherapie belegen. Wir können und sollen viel für Menschen am Lebensende tun! Alles, was sie brauchen. Kompetenz in Palliative Care hilft mit, herauszufinden, was es ist, das Menschen in dieser Lebensphase möchten und brauchen – und was sie nicht wollen! Sparen dürfen wir am Menschen nicht, auch nicht am Lebensende. Aber wahrhaftig kommunizieren dürfen wir und sollen wir – und damit den Menschen bestmöglich gerecht werden.
Kommentar: Dr. Harald Retschitzegger, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG)