Verantwortung übernehmen

Vor einigen Tagen ist ein lieber Mensch aus meinem Bekanntenkreis gestorben. „Ganz einfach“ zuhause, in einer großen Stadt.

Vor einigen Tagen ist ein lieber Mensch aus meinem Bekanntenkreis gestorben. Nicht überraschend, nicht plötzlich. Nicht im Krankenhaus und nicht im Pflegeheim. Sondern „ganz einfach“ zuhause, in einer großen Stadt. Es hat sich seit Monaten abgezeichnet. Verschiedene Vorerkrankungen, demenzkrank, immer wieder auch Stürze. Der Mann war manchmal ein paar Tage im Krankenhaus, insgesamt zuhause, betreut von seiner Frau („Seit 63 Jahren sind wir jetzt schon zusammen!“) und seinen Kindern.

Wenige Tage vor seinem Tod hatte der Patient Durchfall und erbrochen, wobei das Erbrochene dem Durchfall sehr ähnlich sah, wie die Angehörigen sagten. Der Hausarzt wurde befragt, schrieb eine Überweisung ins Krankenhaus, „das klingt nach Darmverschluss“, ein Hausbesuch war zeitlich leider nicht möglich. Was tun?, fragten sich die Angehörigen.

Niemand hielt die Krankenhausaufnahme für eine gute Idee, weil es dem Zustand und auch dem Wunsch des Patienten nicht entsprach. Er blieb zuhause. Was die Familie brauchte, war die „Erlaubnis“, die fachliche Einschätzung, dass dies sein darf! In dieser konkreten Situation ließ sich das einfach machen, es war ein einziger familiär-ärztlicher Besuch bei dem Patienten und seiner Familie.

Es ging dem Patienten gut. Der Durchfall war einmalig, das Erbrechen auch, der Bauch war unauffällig, es gab keine Hinweise für einen Darmverschluss. Tags darauf war der Patient manchmal wach, lachte bei Familiengeschichten mit. Er hatte keine Schmerzen, keine Atemnot, nahm seine Familie um ihn herum wahr und nahm Abschied. Der Patient wirkte wenig bis gar nicht belastet, atmete meist ruhig. Wenige Tage danach starb er, zuhause, umgeben von seinen Lieben – so, wie er sich das immer gewünscht hatte.

Warum ich darüber schreibe? Weil dieser Verlauf möglich war, weil es fachliche Kompetenz und die Übernahme von Verantwortung gab. Wäre einfach die Einweisung ins Krankenhaus erfüllt worden, wäre viel ganz anders gelaufen. Herr F. ist zuhause gestorben, begleitet, betreut, schmerzfrei, entspannt. Umgeben von seinen Menschen. Oft braucht es nicht viel, damit Menschen so zu Ende leben können, wie sie das möchten.

Kommentar: Dr. Harald Retschitzegger, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG)